Auf Grundlage neuester Forschungen hat der Autor Erik Hornung dies vorliegende Buch quasi aufgefrischt, welches schon 1971 in erster Auflage erschienen ist. Um die ganze Thematik, sprich die vielfältige und für den Interessierten durchaus verwirrende Anzahl an unterschiedlichen Gottheiten im alten Ägypten besser zu verstehen, bietet dies Werk dem Leser einen kompetenten Leitfaden. Anhand von Untersuchungen und zusammenfassenden Ergebnissen liefert das Buch eine Fülle an Material, welches dem Leser sehr nützlich und gefällig sein kann um die Glaubensvorstellungen der alten Ägypter sowie deren Denkweisen einfacher nachzuvollziehen.
Beginnend mit einer Einführung, in der vorwiegend Vergleiche, Meinungen und knappe Untersuchungsergebnisse von frühen sowie weiteren Forschern und Gelehrten herangezogen werden, die alle um das brisante Thema Monotheismus/Polytheismus im alten Ägypten kreisen, leitet das Werk des Autors dann sogleich über zu der Frage "was bedeutet netjer (=Gott)?" für den Ägypter. "Netjer" das unbestimmte Wort, das sich auf keine bestimmte Gottheit allein bezieht, schlussfolgert der Autor, aber doch gleichzeitig auf jeden Gott! Anhand des Begriffes läßt sich auch keine konkrete oder transzendente Gottheit ausmachen, die über, bzw. hinter, allen anderen Gottheiten stand. Insofern also kein Monotheismus, vielmehr ist von Henotheismus die Rede (Verehrung eines bevorzugten Gottes, wobei das Dasein anderer Götter nicht geleugnet und deren Verehrung nicht verboten wird).
Und die Untersuchungen gehen ja noch weiter, die sich über vielerlei Aspekte hinziehen, die mitbestimmend sind um eine Tendenz auszumachen. So auch die Namen und Verbindungen der Götter, die Darstellungen (Mischgestalten usw.) und Verbindungen Selbiger, deren Eigenschaften, Herkunft und Entstehung, die Differenziertheit sowie neben zahlreichen anderen Aspekten noch eine Ordnung und Gliederung der Götterwelt aus der Sicht der Ägypter und der Wissenschaft.
Jedes behandelte Kapitel ist der Thematik entsprechend ausführlich mit Belegstellen, für den interessierten Leser verständlich dargestellt, bei aller Komplexität des Themas. Da es in diesem Buch nicht explizit um einzelne Gottheiten geht einige wichtige werden kurz angerissen sondern vielmehr um die Gesamtheit der ägyptischen Götterwelt, begreift der Leser somit das Zusammenspiel und Wirken auf die gesamte altägyptische Kultur. Der Autor spannt den Bogen stellenweise weit, er führt den Leser an den Ursprung ägyptischen Seins, bis hinein in unsere (gottesfernen?) Tage.
Wirklich beeindruckend wie der Autor tief in die Glaubensvorstellungen der alten Ägypter eindringt; Da spricht der Autor auch schonmal von einer mehrwertigen Logik, und meint damit keine unlogische sondern eben eine andere Logik, die noch nicht ausreichend erforscht ist und die mit unserem klassischen Ja-Nein Denkschema, im Grunde nichts mehr zu tun hat. Von Sein und Nichtsein ist die Rede, von Differenziertheit und Undifferenziertheit, von Eins und von Vielen und trotzdem oder gerade deswegen, sieht der Ägypter Göttliches als Einheit und gleichzeitig als Vielheit eigentlich ein Widerspruch!? Um dies zu verstehen ist eben (auch) dies Werk Hornungs gedacht.
Eingegangen wird stellenweise (im Schlussteil ausführlicher) auf den ersten Monotheismus der Religionsgeschichte, der unter Echnaton sein relativ kurzes Dasein und Wirken fand die ausschließliche Verehrung des Gottes Aton. Vor der Schlussbetrachtung des Buches kann sich der Leser in einige Exkurse vertiefen. Ein Glossar der wichtigsten Gottheiten ist ebenso aufgeführt wie ein erklärende Liste fachspezifischer Abkürzungen. Insgesamt ist das Buch mit wenigen Abbildungen im Innenteil bestückt, dafür gibts dann aber am Ende des Buches noch einen farbigen Bildteil.
Das Werk ist bestens geeignet um sich einen detaillierten Einblick in die für uns scheinbar komplizierte ägyptische Götterwelt zu verschaffen und somit die Gedanken der Ägypter und deren Lebens- sowie Todesanschauungen zu ergründen und annähernd zu verstehen. Der Leser profitiert gewiss auch von der klaren Ausdrucksweise des Autors und überhaupt von dem gut geliederten Aufbau der Themengebiete.
Faszit: heute sicherlich so aktuell wie damals und ein lesenswertes Werk für all jene, die Freude und Interesse an diesem religionsgeschichtlichen Thema "Götter im alten Ägypten" haben.
(© Mein-Altaegypten.de, im November 2005, Rezensentin Anja Semling)
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