Mit diesem Roman, unter dem Titel "Melumha und die Halle des Seins", liegt der Leserschaft seit Herbst 2006 als gekürzte Neuauflage im MEDU Verlag, ein Buch von besonderer Qualität vor: eine philosophische Reise durch das Alte Ägypten und das eigene Ich.
Dieses Buch erschien bereits 2003 in zwei Bänden und ist jetzt, dank der Autorin Andrea Mohler, in einer überarbeiteten Fassung zu haben, welche ihre neu erwachten Gedanken und Sichtweise miteinbeziehen. Ein ebenso lehrreicher wie anspruchsvoller Roman, der zeitlosen Charakter besitzt, obwohl die ganze Geschichte in ferner Vergangenheit spielt. Die wesentlichen Aspekte menschlichen Daseins und die stetige Suche, egal welchen Glaubens, sind nur einige prägnante inhaltliche Themen, die mittels einer lebendigen Geschichte verarbeitet werden.
Ganz bewußt wählt die Autorin offensichtlich als Rahmenkulisse die mystische Welt des alten Ägyptens, wo einst, ein, in allen Bereichen des Lebens, tiefer Glaube das Leben der Menschen durchdrang.
Eingeteilt in acht Kapitel denen ein kurzer Anhang folgt, wird die erlebnisreiche Reise von Melumha erzählt; eine Reise die einerseits durch verschiedene Gegenden in den Weiten Ägyptens führt und andererseits zu den Gedanken Melumhas und somit auch in das innerste Selbst.
Melumha, "der große Gedanke", ist die zentrale Figur der Geschichte. Am Tag seiner Geburt wird Melumha zuteil, dass er im Alter von sieben Jahren ein Schüler des Freien Gelehrten von On (Heliopolis) sein wird, um einige Jahre darauf mit diesem Gelehrten namens Rhao Pthef, auf eine seine Reise zu gehen, währenddessen der Gelehrte, Melumhas Gedanken begleiten möchte.
Und so beginnt diese Geschichte mit dem ersten Tag einer langjährigen Reise durch Ägypten, zu jener Zeit als mächtige Gottkönige über das Land am Nil herrschten.
Der junge Melumha, von seinen Ängsten erfüllt, die sich in seinem Zweifeln offenbaren, ist von schwermütiger Natur, aber sehr neugierig auf das Leben. Am liebsten stellt er seinem Lehrmeister Rhao Pthef tiefsinnige Fragen über das Sein und Nichtsein, über die Unendlichkeit und das Universum oder über das Leben und den Tod. Geduldig beantwortet der weise Gelehrte welcher allerdings nicht den traditionellen altägyptischen Glaubensvorstellungen folgt diese Fragen.
Zwanzig Lehrjahre liegen vor Melumha, während denen er Menschen begegnet, die seine Gedanken beeinflussen sowie er deren Gedanken beeinflußt und somit mitunter sogar deren Schicksale. Das Besondere daran ist auch, dass sich für die Leserschaft ein Bild ergibt, welches die Menschen, die Melumha kennenlernt, als Personifikationen darstellt. Zu Begriffen wie z.B.: Macht, Gier, Würde, Krankheit, Schuld, Vertrauen, Recht, u.a.
Dies zeigt sich zunächst in dem blinden Alten, dem der junge Melumha bei der ersten Station seiner Reise begegnet; der Alte ist zerfressen von Haß und Mißgunst. Es liegt in der Absicht des Lehrmeisters, dass Melumha ausgerechnet auf Jenen trifft. Und da in diesem Roman sichtbare Realität und die Welt der Gedanken oft verwoben sind, geschieht in den Augen Melumhas, Unvorstellbares ...
Nach dieser ersten Begegnung und Lektion führt der Weg des Lehrers und seines Schülers an den heiligen Ort Abedju (Abydos), religiöses Zentrum und Kultstätte des Totengottes Osiris. Im Tempel des Gottes gerät nach Melumhas Ankunft vieles aus den Fugen und mit Hilfe des Lehrmeisters kann Melumha sich schon bald beweisen, in dem er einfache Priester von der machtbesessen Seele des Hohepriesters befreit.
Nach dieser weiteren prägenden Erfahrung setzen Melumha und sein Lehrer ihre Reise fort; weitere Stationen werden folgen, bis er schließlich in Iunet (Dendera) eintrifft, um seinen zweiten Lehrmeister Kyhron kennenzulernen. Und hier tritt er (gedanklich) auch zum ersten Male in seine Halle des Seins ein. Melumhas Wissensdurst ist noch immer nicht gestillt und sein Vertrauen ins Leben, bzw. zu sich selbst, noch immer vom Zweifeln geprägt, da verläßt ihn auch noch sein Lehrmeister aus On.
Und so setzt er seine Reise, nach weiteren aufregenden Erlebnissen in Iunet, fort, mit dem Gelehrten Kyhron und der Seherin Dyrdrah. Es führt sie alle Drei in die weite Wüste Ägyptens; doch zuvor noch an den Heimatort Melumhas wo er nach langer Zeit wieder auf seine geliebte Familie trifft.
Die Wüste aber wird für Melumha zu einer echten Herausforderung. Er verbringt mehrere Jahre, stets in Begleitung seiner beiden Lehrer, mit einem Wüstenvolk und lernt es zu leben in dieser Einöde mit all ihren Gefahren. Der Aufenthalt in der Wüste gipfelt darin, dass Melumha eine Prüfung ablegt, die ihn sieben Tage alleine läßt, mit nur einem Beutel Wasser ...
Zurück in On, darf sich Melumha von da an selbst Gelehrter nennen. Viele Erfahrungen hat er nun gesammelt, ist reich an Wissen geworden und fähig anderen Menschen zu helfen sowie sein Selbst besser zu verstehen. Trotzdem: sein Ziel ist der Weg und somit beginnt nur eine Fortsetzung seiner herausfordernden Reise, die ihn ja nicht nur an verschiedene Plätze Ägyptens führt und fremde Menschen kennenlernen läßt, sondern vielmehr sein wahres Inneres für ihn mit jedem Schritt verständlicher wird.
Die nächste Veränderung, die ihm im Alter von ca. zwanzig Jahren bevorsteht, läßt seine Ängste abermals aufblühen. Es führt ihn sein Schicksal nach der Stadt Men Nefer (Memphis), wo er keinem geringeren als dem Pharao höchstpersönlich eines Tages gegenübersteht, mit ungeahnten Folgen. Er findet alsbald seine Liebe des Lebens und gründet eine Familie. Bis er eines Tages, gealtert, doch im Geiste jung, noch einmal seiner inneren Stimme folgt, die ihn zurück nach On führt. Um schließlich und endlich in seiner Halle des Seins seinem Ich gegenüber zu treten ...
Damit ist die Geschichte um Melumhas Reise zwar noch nicht zu Ende, aber Melumha hat offensichtlich nicht nur das imaginäre Tor zur Unendlichkeit als wahr empfunden und erlebt, sondern auch sein wahres Zuhause gefunden, der Ort an dem seine Seele daheim ist wo Alles und Nichts vereint ist.
Die ganze Geschichte spielt in der Gegenwart und nach den Regeln der Zeit, wie wir sie kennen, also nach Vorne ausgerichtet. Trotzdem erkennt der Leser eine weitere Zeitebene, die sich als Erinnerungen Melumhas in seiner Halle des Seins manifestieren und somit die Vergangenheit aufleben lassen. Die Realität und bloße Fiktion finden sich oftmals verwoben und man kann nicht immer unterscheiden, zumal die Welt der Gedanken der Gelehrten und Melumhas, in dem Buch oft als sichtbare Wirklichkeit sich (dem Leser) zeigt.
Mit diesem Roman ist der Autorin ein außerordentlich tiefgründiges und lehrreiches Werk gelungen. Philosophische Gedanken, die sie in ihrer runden Geschichte verarbeitet und viele ihrer Sprüche und Sätze, durch die kursive und somit hervorgehobene Schreibweise, nochmals unterstreicht. Ein Buch das die ganz großen Themen und Fragen menschlichen Daseins auf Erden behandelt und die den Menschen schon seit Tausenden von Jahren beschäftigen: Glaube, Sinn des Lebens, Wissen, u.v.m.
Ein Buch das sich abhebt, nicht nur in den Reihen der Ägyptenromane. Auf eine detaillierte Beschreibung der Historie Ägyptens wird allerdings in dem Roman weitgehendst verzichtet (da nicht relevant), trotzdem verspricht der historische Rahmen authentische Einblicke. Ein Buch das zum Denken anregt und dem Leser Antworten gibt auf Fragen, die seit jeher menschlich sind und genauso gut in der heutigen Zeit zu stellen wären.
Der Schutzumschlag des seitenstarken Buches, ist eine Illustration, die eine Pyramide zeigt, die ihren langen Schatten gen Horizont wirft, welcher sich dort bündelt. Vielleicht könnte dieser gebündelte "Punkt" auch so zu verstehen sein, wie die "Halle des Seins", nämlich ein imaginärer Punkt der Alles und Nichts in sich vereint. Wer mehr darüber erfahren möchte, dem sei dieses außergewöhnliche Werk empfohlen.
Und zu guter Letzt: abgesehen von dem originellen Umschlagdesign, welches ein bekannter Künstler (W. Angerer der Jüngere) kreiert hat, ist das Buch "Melumha" in einem optisch sehr ansprechenden Zustand sowie angenehm zu lesenden Buchsatz gesetzt. Sprachliche und stilistische Ausführung sind sehr lobenswert zu einer gut gelungenen Idee.
Im Grunde ist dieser Roman auch als eine Art Ratgeber fürs Leben zu verstehen, wenn man nur bereit ist, sich die weisen Worte der jungen Autorin zu Gemüte zu führen. Jedenfalls verhilft es einem zu mehr Lebensqualität im Sinne von mehr Bewußtheit zu sich selbst.
(© Mein-Altaegypten.de, im Dezember 2006, Rezensentin Anja Semling)
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