»Projekt Sakkara« so lautet der Titel des Romans von Andreas Wilhelm, erschienen Februar 2007 im Verlag Limes. Ein weiterer Buchtitel, der womöglich einigen potentiellen Lesern schon bekannt ist, geht als "Projekt Babylon", Erstgenanntem voraus und steht somit in enger Beziehung zu vorliegendem Titel. Beide Romane sind aber durchaus unabhängig voneinander zu lesen und zu verstehen. Die beiden zentralen Figuren bei den jeweiligen Projekten um die es geht, sind jedesmal dieselben und gemeinsam ist ebenso die Suche nach einem sogenannten "Archiv des Wissens" was auch immer zunächst darunter zu verstehen ist: ein Ort? eine Halle? ein Buch? oder vielleicht ein Licht?
Alleine schon der Buchtitel mitsamt origineller Covergestaltung verraten jedenfalls, dass den Leser spannende Stunden mit Eintauchen in dieses Leseabenteuer erwarten werden. Und jene, die sich für das Alte Ägypten begeistern, finden in dieser flott geschriebenen Geschichte, die in moderner Zeit spielt, so einiges an kulturgeschichtlichen Hintergründen wieder. Inbesondere auf den historischen Imhotep, offensichtlich das erste Universalgenie der Menschheitsgeschichte, und auf den großen ägyptischen Gott namens Thot, (= Hermes Trismegistos bei den Griechen), wird detailliert eingegangen sowie auf Pharao Echnaton uns bekannt wegen seiner konsequenten Aton-Religion in pharaonischer Epoche.
Desweiteren versteht es der Autor einzuführen in die mystische Vergangenheit ägyptischer Kulturgeschichte hinsichtlich des Aspekts Wissen und Schrifterfindung. Sowie er darüber hinaus davon erzählt, wie angeblich in längst vergangenen Zeiten doch faktisch im Roman bereits eine hochentwickelte Spezie, noch vor den alten Ägyptern existiert hatte.
Mit "Projekt Sakkara" gelingt dem Autoren eine wirklich interessante Mischung aus fundierten geschichtlichen Ereignissen einerseits und wissenschaftlich ausgewerteten Erkenntnissen andererseits in Zusammenhang mit fiktiven Personen und Handlungen; doch damit nicht genug, sogar auf die Ebene esoterischen Gedankenguts läßt sich der Autor ein, und arbeitet diese in seine fundierten und fiktiven Teile mit ein.
Das Interessante an dieser Geschichte ist auch, dass zwei Zeitebenen, die eine im Jahre 2006 und die andere primär um das Jahr 1940, nebeneinander her spielen. So dass der Leser sich zwar in zwei unterschiedlichen Erzählsträngen befindet, die aber inhaltlich starken Bezug zueinander aufweisen. Viel mehr Raum beansprucht allerdings jener Teil in dem die beiden prägnanten Hauptfiguren agieren, namentlich: Professor Peter Lavell und Patrick Nevreux. Zwei Charakter-Typen die unterschiedlicher nicht sein könnten: Lavell, ein betagter Schreibtischtäter aus England, der wissenschaftliche Vorträge hält und der junge Nevreux, ein französischer Hobby-Archäologe, gleichsam Schatzsucher, mit unglaublich viel praktischem Geschick sowie Witz und Abenteurlust schlechthin.
Beide gemeinsam ergeben das optimale Team für so ein Projekt wie es sich der alte Guardner, ein gutbetuchter Engländer, in Kairo, vorstellt. Nämlich nichts Geringeres als nach dem "Ursprung aller Dinge", nach der "Quelle des Wissens der Kulturen", im Hier und Jetzt, im untergegangenen Pharaonenreiche zu suchen. Schon Guardners ermordeter Vater, war diesem Geheimnis auf der Spur und niemand anderes als Lavell und Nevreux kommen dafür in Frage, nach Meinung Sir Guardners.
Die intensive Suche nach dem "Archiv des Wissens" beginnt nach einigen mysteriösen Hindernissen, vor Ort in Ägypten, genauer mit einem Papyrus, gefunden einst im Tutanchamun-Grab, der Hinweise auf eine rätselhafte Stele im Buch die legendäre "Tabula Smaragdina" gibt. Diese existierende Stele wird gefunden und lenkt das Forscherduo sobald auf eine weitere Fährte, nämlich zum Sitz des Chefinspektors der Antikenverwaltung, der ein weiteres Artefakte besitzt, ein sagenumwobenes Pyramidion. Auch diese Aufgabe fällt den beiden Profi-Abenteurer nicht schwer zu lösen, in dem sie es ausfindig machen und weiterführende Schritte einleiten. Und so finden sie sich bald darauf in unterirdischen dunklen Gängen und Galerien des riesigen Totenareals Sakkara nahe der Pyramiden von Giseh wieder. Doch nicht alleine ein sogenannter Geheimorden namens "Thot Wehem Ankh Neb Seshtau", ist ihnen schon die ganze Zeit über auf den Fersen gewesen ...
Es gewinnt die Handlung immer mehr an Spannung und mitfiebernd um die erfolgreiche Entdeckung der Weisheit der Welt, erfährt der Leser am Schluß der inzwischen recht turbulenten Geschichte endlich was es mit dem "Archiv des Wissens" auf sich hat. Die parallel erzählte Handlung, die zur Zeit des Dritten Reiches spielt, gewinnt nun auch mehr und mehr an Bedeutung hinsichtlich des alten Guardners und seiner Vergangenheit.
Erwähnenswert sollte auch die schöne Melissa sein, Anhängerin einer dubiosen Sekte in Kairo, die sich mit der ägyptischen Geschichte sehr gut auskennt und dem jungen Forscher Patrick "den Kopf verdreht".
Sehr gut gelungen in diesem Roman finde ich die Idee, nicht ein materiell wertvolles Objekt (der Begierde) aller Beteiligten ins Zentrum zu rücken, was die Hauptdarsteller allerdings erst im Nachhinein herausfinden sondern einen unschätzbaren Wert darin zu sehen, indem Immaterielles, in Form eines sog. uralten "Wissensarchivs", dafür auserwählt wurde. Eine bislang in der Wissenschaft noch nicht nachgewiesene Hinterlassenschaft früherer Kulturen, aber auch nicht undenkbar(!?). Die Frage ist ja nicht, mit der fiktiven Umsetzung eines "Archiv des Wissens", auch an dessen Wirkkraft im Sinne von Wissen zu zweifeln, sondern wie kann dies Wissen der ganzen Menschheit nützlich sein? Denn es ist zwar mächtig und weise, was an höherer Bewußtseinsebene kann es aber jedem Einzelnen Gutes tun? Insofern tut der Autor mit seinen esoterischen Einfädelungen wohl genau das Richtige und führt die Leser auf einen interessanten Weg, zwischen Fiktion und Realität, zur Quelle der Weisheit, seiner eigenen Fantasie.
Der tiefgründige Teil des Romans macht sicherlich dieses Thema aus, doch das Ganze wird in manchmal geradezu witziger oder ironischer Weise verpackt, dass der Leser auf beste Weise Unterhaltung erfährt. Die Charaktere sind sehr authentisch und es fällt sogar auf, dass einige mit wirklichen Personen große Ähnlichkeit aufweisen, z.B. der Inspektor der ägyptischen Antikenverwaltung allerdings nur für Insider ersichtlich.
Mit diesen unterhaltsamen und ebenso lehrreichen Gedanken des Autors auf seinen fesselnden Seiten, gewinnt der Leser nicht nur Einblicke in die Kulturgeschichte Ägyptens. Vor allem wer sich für die altägyptische Kultur interessiert wird mit "Projekt Sakkara" genau richtig liegen, da außerordentlich gut recherchiert. Spezielles Wissen um die Historie der alten Ägypter ist für den Leser nicht unbedingt erforderlich, da Vieles aus dem Kontext ersichtlich ist dementsprechend findet sich auch kein Glossar.
Ein wenig durchleuchtet werden auch die Strukturen der weltumspannenden Geheimbünde, die seit Jahrhunderten die Menschen in ihren Bann ziehen. Desweiteren beschäftigt sich der Autor auf den Seiten intensiv mit esoterischem Gedankengut und verknüpft dies geschickt mit Fantasie und realer Geschichte. Es macht keine besondere Mühe all dem zu folgen und der Leser erkennt auch die ziemlich unvoreingenomme Einstellung des Autoren hinsichtlich solcher obskuren Zusammenschlüssen.
Eingeteilt in 14 Kapitel in die ein paar wenige illustrative Grafiken eingestreut sind, kann sich der Leser im Nachwort des Autors kundig machen, was im Buch reine Fiktion und was fundierte historische Ereignisse sind. Romane solchen Inhalts finden ihren Stoff hinsichtlich Magie, Mysterien oder Rätselhaftes, natürlich auch bestens im alten Ägypten, da jene Epoche geradezu dafür prädestiniert ist. Insofern ein tolles Lesevergnügen, das durch des Autors lobenswerten stilistischen Ausdrucksstil noch unterstrichen wird. Wann folgt wohl ein weiteres Abenteuer des erfolgreichen Forscherduos Lavell und Nevreux?
(© Mein-Altaegypten.de, im April 2007, Anja Semling)
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