Der Bildband "Abydos - Tor zur ägyptischen Unterwelt" erschien in der Reihe Sonderbände der Antiken Welt im Zabern-Verlag. Damit liegt der Leserschaft ein sehr schön gestaltetes Buch vor, das ausführlich und fundiert über den Schauplatz berichtet, an dem die berühmten Mysterien von Tod und Auferstehung des Osiris im alten Ägypten, gefeiert wurden.
Abydos als Ort, ca. 160 km von Luxor entfernt, und als frühe Königsnekropole, sind die Hauptthemen der Beschreibungen, die von den beiden Ägyptologen Ute und Andreas Effland sorgfältig dargelegt werden. Dabei richten sie ihr Fokus auf zwei Bereiche: Abydos und seine Bedeutung als Tor zur Unterwelt sowie das Areal mit dem Namen Umm el-Qaab ("Mutter der Opferschälchen"); genauer ein sakraler Raum in diesem Gebiet, in dem bis heute das Deutsche Archäologische Institut (DAI) mit Grabungen aktiv ist.
Das Toponym Abydos birgt verschiedene archäologische Stätten. Die immense Bedeutung die Abydos heute zuteil wird, ist auch begründet durch die zahlreichen Funde und wegen der Nekropole der ersten frühzeitlichen Herrscher der 1. und 2. Dynastie, um 3000 v.Chr. Die Anfänge als Friedhof liegen allerdings in der Vorzeit.
Die alten Ägypter glaubten, dass Osiris nach seinem scheinbaren Tod unter dem flachen Hügel von Umm el-Qaab begraben wurde. Insofern fand der Osiriskult bald Einzug in die Lebenswelt der alten Ägypter und dauerte Jahrtausende an. Kultbauten und Tempel wurden für die Osirisverehrung erbaut. Prozessionen fanden statt und die Ägypter pilgerten zum Grab des Osiris, das als Eingang in die Unterwelt galt. "Ohne Osiris als Herrscher der Unterwelt konnte sich die Sonne während ihrer Nachtfahrt nicht regenerieren" (S. 122). Somit wird deutlich dass Osiris überlebenswichtig war für den Erhalt der Schöpfung - in den religiösen Vorstellungen der Ägypter.
Wie über die dreitausendjährige Pharaonenzeit dem Gott und seiner Verehrungsstätte gedient und gehuldigt wurde, zeigt dieses Buch sehr eindrucksvoll. Chronologisch nach Herrschergestalten geordnet, erzählen die Autoren davon wie einzelne Pharaonen ihrem Gott der Unterwelt sich verpflichteten. Zur Zeit des Neuen Reiches war das Interesse an Abydos besonders groß. Die Thutmosiden, die Herrscher aus der Armanazeit, die Ramessiden und weitere denkwürdige Pharaonen, werden von den Autoren sehr detailliert auf ihre Aktivitäten in Bezug auf die Osiris-Verehrung, untersucht. Ebenso werden historische Ereignisse angegeben. Der Leser erfährt Interessantes zu den Kulthandlungen die von den Priestern durchgeführt wurden und welche unzähligen verschiedenen Opfergegenstände dem Gott Osiris dargebracht wurden. Welche Rituale stattfanden und wo die Prozessionen entlang führten, in dem großen Wadi auf der westlichen Seite des Nils. Das Gebiet ist heute eine steinige und sandige Landschaft mit Gebirgszügen am Rande zur Wüste.
Dass sich der Osiriskult über einen sehr langen Zeitraum erstreckte, macht sich in dem Buch unschwer bemerkbar. Berichtet wird vom Beginn (Ende Altes Reich) bis zum Ende des Kultes in der römischen und spätantiken Zeit. Welche Veränderungen der Kult erfuhr und welche Bedrohungen (z.B. Krieg) von Außen den Kult gefährdeten, kann nachgelesen werden.
Wie es nach dem Ende des Orisiskultes mit Abydos weiterging behandelt das letzte Kapitel des Buches. Antworten findet der Leser beispielsweise zu: Was geschah mit Abydos in der koptischen Zeit? Was suchten die Schatzgräber in den alten Stätten?
In beeindruckender Weise berichtet das Buch auch über Scherben, Keramiken, Flaschen, Gefäße oder Opferschalen, die überall auf dem Gelände gefunden wurden. Ebenso werden die Tempel und Ruinen vorgestellt, die meist am Fruchtlandrand standen oder noch stehen. Als bekannteste zu nennen: der Tempel von Sethos I. und Ramses II. sowie das Osireion und der Osiris-Tempel. Wie diese in Verbindung standen zum Osiris-Grab und welche Mühen die Pharaonen nicht scheuten ihrem großen Gott gerecht zu werden, beschreiben die Artikel. Wobei es den Pharaonen letztlich auch um ihr eigenes Wohl ging, nämlich ganz nah bei Osiris zu sein. Um an der zyklischen Wiederauferstehung teilzunehmen.
Bebildert ist der Band überwiegend mit farbigen Fotos, sowie Strichzeichnungen und grafischen Karten, bzw. Lagepläne. Diese Pläne sind sehr hilfreich zur Veranschaulichung der Lage der Gräber und Tempel in Abydos. Am Ende des Buches eine doppelseitige virtuelle Rekonstruktion des Tempels von Sethos I. Die Auswahl der über 100 Fotos ist sehr bereichernd. In jedem Kapitel sind welche eingestreut. Da es sich um einen Bildband (Format 24 x 30 cm) handelt, wurde großen Wert auf diese Art der Dokumentation gelegt, denn der Leser profitiert von den zahlreichen Abbildungen; das Ganze wirkt somit noch lebendiger.
Dieser beeindruckende Bildband, der durch seine Informationsvielfalt besticht, bietet ausgezeichnete Auskunft über eine der geschichtsträchtigsten Gegenden - in religiöser Hinsicht - in Ägypten. Die Vielfalt der Themen und die reichhaltige Bebilderung, neben den informativen Texten, machen das Buch zu einem geistigen Eintauchen in eine vergangene Zeit. Aber auch in die archäologischen Untersuchungen vor Ort heute, nämlich in Abydos.
Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass das Grab von Osiris, mit der Grabkammer des frühen Herrschers namens Djer, gleich zu setzen ist. Es ist eine Legende, dass Osiris jemals dort, in Abydos, begraben wurde. Hinsichtlich der Vorstellung, dass die alten Ägypter diesem legendären Ereignis Glauben schenkten, kann man erkennen warum damals diese heilige Stätte im religiösen Zentrum des Jenseitsglaubens stand. Den Inhalten dem Bildband zufolge einst ein streng abgesicherter Bereich. Eine Sakrallandschaft, die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits, die es zu entdecken gilt mit diesem prächtigen Bildband. Gleichwohl für Ägyptenkenner sowie für Laien, ein anspruchsvolles Buch, das bei aller Ausführlichkeit, die Spannung nicht zu kurz kommen läßt. Für alle die explizit an dem ägyptischen Gott Osiris oder an Abydos generell Interesse haben, ist dieser Bildband ein Must-have.
Autoren:
- Die Ägyptologin Ute Effland ist Leiterin des Projektes zur Erforschung des Osiriskultes in Abydos am Deutschen Archäologischen Institut in Kairo.
- Der Ägyptologe Andreas Effland ist beim Edfu-Projekt der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen tätig.
Weitere Bände in dieser Reihe:
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