„Bau der Pyramiden im Alten Ägypten“ lautet der Titel der zweiten aktualisierten und erweiterten Auflage des umfangreichen sowie ins Detail gehende Buch des Autors, Ingenieurs und Ägyptologen Frank Müller-Römer. Er erläutert in seinem 2. Buch den derzeitigen Wissensstand zur Thematik und seine Theorie zum Pyramidenbau im Alten Reich am Beispiel der Mykerinos-Pyramide. Das Wichtige daran ist, dass der Autor in seiner Theorie die Grundvoraussetzungen der grundsätzlichen Lösungsansätze beim Bau der Pyramiden vollends berücksichtigt. Das bedeutet dass nur Werkzeuge, Transport- und Bauverfahren zugrunde gelegt werden, für die es archäologische Befunde aus der Zeit des Alten Reichs gibt. Diese Befunde werden in verschiedenen Kapiteln präzise beschrieben.
Weitere Bauhypothesen (Vorschläge von Anderen) werden vom Autor bewertet und widerlegt wenn sie nicht den grundsätzlichen Lösungsansätzen stand halten. Die eigene Bauhypothese des Autors das im 8. Kapitel nachfolgend zu den anderen Hypothesen folgt, wird gründlich und fundiert mit beigefügten Abbildungen (Fotos, Zeichnungen, Grafiken) erläutert. Insbesondere anhand solcher Grafiken kann sich der Leser ein gutes Bild machen, wie einzelne Arbeitsschritte beim Bau der Pyramiden gewesen sein konnten. Um die Pyramidenbau-Thematik besser nachvollziehen zu können sind die ersten Kapitel unverzichtbar, wo es um Definitionen, Festlegungen, zeitliche Entwicklungen, Bau- und Transporttechniken und archäologische Befunde geht.
Pyramidenerbauungen fanden statt ab der 3. Dynastie 2600 v.Chr. bis um 1550 v.Chr. Die größten Pyramiden wurden zur Zeit des Alten Reiches errichtet, darunter die bekannten der Pharaonen Chufu, Chefren und Menkaure auf dem Gizeh-Plateau bei Kairo.
„In der Ägyptologie herrscht heute weitgehend Einigkeit darüber, dass die Pyramiden Grabbauten sind“ (Zitat: Quack, J.F., Pyramiden S. 50). Es sind riesige Bauten aus Stein und die damaligen Baumeister besaßen große mathematische Kenntnisse. Die Bauvermessung und -ausführung erfolgte spätestens ab Chufus Pyramide mit größter Präzision, heißt es in dem Buch. Die Baustrukturen und Bauweisen sind allerdings verschieden, haben Forscher herausgefunden. Wie unterschiedlich wird im Buch von Müller-Römer sehr gut erklärt. Zu Anfang des Buches erklärt der Autor warum der Grabbau des Pharaos Djoser aus der 3. Dynastie (Altes Reich) aus wissenschaftlicher Sicht keine sog. Stufenpyramide ist, sondern eine Schichtpyramide dies hängt mit der Bauweise zuammen. Besonders interessant ist das 5. Kapitel: Archäologische Befunde an Pyramiden. Darin werden die Pyramiden des Alten Reichs, der Ersten Zwischenzeit und des Mittleren Reichs ausführlich beschrieben; insgesamt 37 Pyramiden. Die Bezeichnungen für diese oberirdischen geometrischen Grabbauten mit Grabschächten sind (chronologisch): Mastaba, Stufenmastaba, Schichtpyramide, Stufenpyramide, Zieglepyramide, „Echte Pyramide“. Das Mauerwerk dieser Pyramiden ist unterschiedlich, es gibt das Kernmauerwerk, Verkleidungsmauerwerk und die äußere Verkleidungsschicht. Die Entwicklungen des Pyramidenbaus erfährt der Leser im 6. Kapitel.
In jedem Kapitel sind zahlreiche Abbildungen eingefügt, die textliche Beschreibungen visualisieren oder darstellen. Das ist sehr wichtig für das Verständnis der doch komplexen Thematik teilweise. Zum Beispiel wie die Steine aus Steinbrüchen herausgeschlagen worden sind oder die Bearbeitung des Sarkophags mit Röhrenbohrer. Darstellungen unterschiedlicher Deckenkonstruktionen in den Pyramiden oder was ein Kraggewölbe ist, erfährt der Leser anhand Text und Bild. Nach diesem Prinzip Text und Bild ist das Buch im Großen und Ganzen aufgebaut. Und eignet sich somit auch wunderbar zum Nachschlagen. Berechnungen zu Bauzeiten der Pyramiden sind anhand von Tabellen vorgestellt. Viel Fachliches steht in dem Werk, zuweilen etwas schwer verständlich für Nicht-Fachkundige, insbesondere wenn es um Berechnungen geht. Sehr gut ist die Gliederung der Themen-Kategorien sowie das übersichtliche Layout. Das Buch ist schwer mit seinen über 512 Seiten in Hardcover-Bindung.
Zurück zur Bautheorie des Autors:
Seiner Theorie zufolge sind Rampen an den Stufen des Kernmauerwerks parallel zu diesen (Stufen) und auf allen vier Seiten der Pyramide als Tangentialrampen angeordnet gewesen, als die alten Ägypter die Pyramide erbauten, bzw. um die Steinblöcke aufwärts und abwärts zu transportieren. Das ist eine der wesentlichen Voraussetzungen um die Pyramiden überhaupt errichten zu können, nämlich das Aufsetzen der Tausenden Steinblöcke bis hin zum oberen Pyramidion.
Müller-Römers Theorie hält den Grundvoraussetzungen, bzw. den im Alten Reich bekannten Techniken und Bauverfahren stand. Wer dies noch viel genauer erfahren möchte, wie präzise die alten Ägypter ihre Pyramiden wahrscheinlich erbauten, kann dies im Buch nachlesen. Auch wenn es bislang (noch) eine Bautheorie ist, die jedoch auf fundierten Untersuchungen und archäologischen Belegen beruht. Womöglich die bislang beste bewiesene Theorie zum Bau der Pyramiden im Alten Ägypten.
Wunderbar dass etliche Pyramiden aus Stein heutzutage noch stehen, nicht nur für die Wissenschaft, auch für das Erbe der Menschheit. Und wer weiß, ob die Pyramiden den einstigen Pharaonen noch von Nutzen sind? Dies überschreitet aber den Bereich der wissenschaftlichen Forschungen und ist wohl eher im Imaginären zu ergründen. Sicher ist aber, dass dieses Buch aufräumt mit all den spekulativen Bautheorien die behaupten, dass die Pyramiden von Außerirdischen errichtet wurden.
Dieses Buch ist ein Must-Have für Pyramidenfans! Und ein weiterer Schritt zur Lösung des Rätsels wie die alten Ägypter diese Pharaonen-Gräber erbauten. Vor dem Hintergrund eines nicht nur pragmatischen Zwecks dem Schutz des "Leichnams", sondern um die Fortdauer der Existenz des Pharaos im Jenseits zu gewährleisten.
Von Anja Semling, März 2025