Laut der Autorin Christiane Desroches Noblecourt (französische Ägyptologin) war die historische Figur Hatschepsut, von der vorliegendes Buch handelt, "die geheimnisvollste, die bewegendste und die bemerkenswerteste Erscheinung auf dem ägyptischen Pharaonenthron".
Mit dieser Biografie widmet die Autorin der ägyptischen Königin Hatschepsut, erste historisch bezeugte Herrscherin auf dem Thron Ägyptens*, die vor rund 3.500 Jahren (18. Dynastie, Neues Reich) lebte und wirkte, nicht nur besondere Aufmerksamkeit im geschichtlichen Kontext, sondern rückt diese Persönlichkeit, in ein durchweg positives Licht. Vollkommen objektiv versucht Noblecourt die Geschichte Hatschepsuts zu rekonstruieren. Dies war offensichtlich kein leichtes Unterfangen, was sie bereits im Vorwort vermeldet, und sie würde auch allen Hobby-Historikern davon abraten. Insofern darf der Leser zu recht, außerordentlich gut aufbereitete wissenschaftliche Erkenntnisse, Untersuchungsergebnisse und Sachverhalte mit diesem Werk erwarten.
Fachkundige und detaillierte Auskünfte sind in diesem Werk zusammengetragen und verarbeitet. Es läßt so gut wie kein spezifisches Thema rund um die Person Hatschepsut-Maatkare, wie sie in der Fachwelt auch gerne benannt wird, aus: Ihr Felsentempel bei Deir el-Bahari, ihr Geburtsmythos, das Amun-Orakel, ihre Hathor-Verehrung, ihre Expedition nach Punt-Land, "Senenmut" ihr Haushofmeister, und weiteres mehr kommen zur Sprache.
Die Ägypterin Hatschepsut fesselt die Leserschaft durch ihre einzigartige Geschichte, die ohnegleichen ist. Nachdem die Königin vor einigen Jahrzehnten aus dem Dunkel der Geschichte wieder auftauchte, schrieben viele Forscher und Gelehrte über sie. Noblecourts Darstellung ist sehr aktuell und berücksichtigt auch neuere Erkenntinsse der letzten Jahre. Leider haben es die Ereignisse um die Identifizierung der Hatschepsut-Mumie im Jahre 2007 nicht mehr in diese Auflage geschafft.
Mit diesem über 500 Seiten starken Taschenbuch worin zahlreiche Abbildungen in Schwarzweiß und Farbe, die Inhalte illustrativ ergänzen, sind insbesondere die schönen Farbabbildungen hervorzuheben, die auf insgesamt 16 Seiten verteilt sind. Darunter einige Artefakte die Hatschepsut darstellen.
23 Kapitel umfaßt der Hauptteil des Buches, gefolgt von einem umfangreichen Anhang (Literatur- u. Siglenverzeichnis, wichtigste Literatur der Autorin, Anmerkungen und Zitathinweise, Zeittafel, Stammbaum, Orts-, Götter-, Personen- u. Sachregister) sowie ein Vorwort und ein Epilog.
Noblecourt läßt ihre Darstellung über Hatschepsuts Leben mit deren Geburt beginnen und fädelt die wesentlichen geneaologischen Verbindungen ein. Die Eltern Hatschepsuts: Thutmosis I. ihr Vater, adliger Herkunft, und ihre Mutter Ahmose, königlicher Abstammung. Noch immer ist in der Fachwelt umstritten, ob Thutmosis I. tatsächlich nicht-königlicher Herkunft war. Sicher ist aber, dass er der erste König der sogenannten Thutmosiden-Dynastie war. In chronologischer Abfolge werden weitere wichtige Stationen im Leben der Königin behandelt: ihre Kindheit, ihre Hochzeit mit ihrem Halbbruder Thutmosis II., ihre Krönung, ihre Bekanntschaft und Freundschaft mit dem bürgerlichen Senenmut, ihre regen Bautätigkeiten, die Reise ins ferne Land Punt, ihre Jubiläen und letztens auch ihr "Verschwinden" (ihr Tod).
Man sollte als Neueinsteiger zur Lebensgeschichte der Hatschepsut wissen, dass ihre Herrschaft auf Ägyptens Thron nicht der Tradition ägyptischen Königtums entsprach: Sehrwohl konnte eine Frau die Regierungsgeschäfte führen, wenn der Thronnachfolger zu jung war dafür. Nicht aber den Anspruch auf den Thron erheben und somit über das Reich herrschen - was aber Hatschepsut augenscheinlich getan hat. Wie es nun dazu kam, schildert dies Werk sehr ausführlich und eindrucksvoll, gespickt mit zahlreichen Details.
Besonders viel Raum widmet die Autorin einer Beschreibung des großartigen Felsentempels bei Deir el-Bahari, von den kühnen Plänen bis hin zu den Ausführungen einzelner Arbeiten am Bau. Auch eine Person, die in Hatschepsuts Leben eine prägende Rolle spielte, wird genau unter die Lupe genommen: Senenmut, Träger zahlreicher Titel und der Königin sehr nahestehend. Erwähnenswert sei auch noch die ausführliche Schilderung der langen Expedition nach Punt, einem exotischen Land südlich Ägyptens. Hatschepsuts politische Ambitionen kommen ebenso in entsprechenden Kapitel zur Sprache, und festzustellen ist dabei, dass die Königin insgesamt in einer friedlichen Zeit agierte; lediglich kleinere Feldzüge und Strafexpeditionen. Ihre Familie konnte der Leser schon eingangs des Buches kurz kennenlernen; diese wird in nachfolgenden Kapiteln noch genauer vorgestellt, insbesondere Hatschepsuts Tochter Nofrure. Gespannt sein darf der interessierte Leser vor allem über die Ausführungen der Autorin zur Legitimierung Hatschepsuts Thronerhebung und Krönung, dazu sind die Kapitel über das Amun-Orakel und den Geburtsmythos eine wertvolle Anlaufstelle und Quelle.
Mit einem Epilog "Das Erbe" und dem Kapitel "Ächtung und Geheimnis der Hatschepsut", schließt der Hauptteil des Buches ab.
Ganz nebenbei erfährt der Leser auch Wesentliches zu typischen ägyptologischen Themen und Begriffen, wie z.B. die Herkunft des Wortes "Pharao", wer gründete das Tal der Könige? es war laut Noblecourt Hatschepsut , der ägyptische Kalender, die verschiedenen Kronen, was ist ein Portikus? (=Pfeilerreihe), was ist "kep"?, und vieles mehr. Trotzdem sind ägyptologische Vorkenntnisse für das Verständnis des Buches im Gesamten von Vorteil.
Mit Noblecourts Recherchen, vor Ort und auch im Labor, deren fundiertes Ergebnis hiermit über das Leben und Wirken der Königin Hatschepsut vorliegt, betont die Autorin des Buches, nicht ausdrücklich, doch keineswegs zu überlesen, dass die Krönung der Hatschepsut lediglich eine Scheinkrönung war. Desweiteren sieht Noblecourt in der Königin die Koregentin von Thutmosis III., ihrem Neffen und Stiefsohn dieser Thutmosis hatte nämlich die wahre Initiation dereinst empfangen. Die eindrucksvollen Hinterlassenschaften und (zertrümmerten) Zeugnisse lassen diese Frage mehr oder minder nicht unbeantwortet und somit wandelt Noblecourt kompetent auf ihren Pfaden. Sie nimmt den Leser quasi mit auf ihrer Spurensuche. Es fällt nicht schwer ihr dabei zu folgen, doch wie schon erwähnt, besser mit einer gewissen fachlichen Grundlage betreffend Kulturgeschichtliches zum Pharaonenland am Nil.
Dass es zur Arbeit eines jeden Ägyptologen gehört sich auch auf anderweitige fachwissenschaftliche Quellen(literatur) zu stützen ist selbstverständlich; insofern findet sich in diesem Werk im Anhang ein über 40seitiges Kapitel einzig zu Anmerkungen und Zitathinweisen, die sich auf Textstellen im Inhalt beziehen. All' jene, die während des Lesens gerne vertiefend nachschlagen möchten, sind somit gut bedient. Andernfalls ist es etwas umständlich, da somit der Lesefluß schnell unterbrochen wird. Leider kaum satztechnisch anders zu lösen(?), da die Anmerkungen zum Teil recht ausführlich sind.
Dies Buch ist meiner Ansicht nach kein Buch, welches man nach Auslesen wieder ins Bücherregal verstaut, sondern vielmehr stets griffbereit in seiner Büchersammlung ablegt, denn es lädt geradezu ein immer wieder darin nachzuschlagen. Sofern man sich für diese markante Persönlichkeit aus der ägyptischen Historie umfassend interessiert. Der Leser erfährt darin eine wahre Fülle an Wissenswertem, die über das Wesentliche hinausgehen. Aufgrund des reichen Seitenumfangs des Werkes sollte der Leser aber einiges an Zeit mitbringen, um sich damit gründlich zu informieren.
Zudem ein sehr gutes Preisleistungsverhältnis, was jeden Hatschepsut-Bewunderer zum Kauf des Taschenbuches auch anregen dürfte, abgesehen von dem fantastischen Wissensfundus!
* Was nicht heißen soll, dass Hatschepsut die einzige Pharaonin war, sondern mit ihr ist z.B. Nofrusobek (Mittleres Reich), noch vor Hatschepsuts Zeiten, als Herrscherin gleichfalls belegt.
(© Mein-Altaegypten.de, im August 2007, Anja Semling)
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